ZANU-PF wird gewinnen“, zeigte sich Präsident Robert Gabriel Mugabe schon vor den am 31. März durchgeführten Parlamentswahlen vom Sieg seiner Zimbabwe African National Union – Patriotic Front (ZANU-PF) überzeugt. Zudem seien alle AnhängerInnen der oppositionellen Bewegung für Demokratische Veränderung (MDC) Verräter und keinesfalls würde er die Macht mit ihnen teilen. „Niemand hat sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen“, hatte er wachsende internationale Kritik an seinem politischen Stil trotzig beiseite gewischt. Der tatsächliche Sieg der Regierungspartei kam wenig überraschend. Er wird weithin Wahlmanipulationen zugeschrieben, wie sie auch die letzten Volksentscheide in der 12,5 Mio. EinwohnerInnen zählenden Republik zu Gunsten Mugabes gebeugt hatten. Mit 78 Sitzen plus jenen 30, die der Präsident persönlich vergeben kann, hat die ZANU-PF die Zweidrittelmehrheit im Parlament mit insgesamt 150 Sitzen zurück erobert.
Der Freiheitskämpfer von früher repräsentiert heute den Typ von Staatschef, den die VerfechterInnen eines neuen Afrikas schon überwunden haben möchten. Sein Regime ist weit entfernt von Demokratie und „Good Governance“ – also einer verantwortungsvollen, transparenten Politik, die der Bevölkerung dient. Umso mehr verwundert es, dass ausgerechnet Thabo Mbeki seine schützende Hand über Mugabe hielt. Schließlich ist der Präsident des benachbarten Südafrika einer der Architekten des neuen Afrikas, wie es seit der Gründung der Afrikanischen Union verstärkt Thema ist. Schon Wochen vor den Wahlen in Simbabwe äußerte er sich zuversichtlich, diese würden frei und fair verlaufen. Seine Aussage entfachte heftige Kritik. Verriet er damit das von ihm selbst so hochgehaltene Ideal von Good Governance?
Keineswegs, erklärt Chris Maroleng, Simbabwe-Experte am angesehenen südafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS). Mbekis Einsatz zugunsten Mugabes sei konstruktiv. Dahinter stehe die Überzeugung, dass Reformen am besten aus der regierenden Partei selbst kommen, besonders wenn die Streitkräfte des Landes klar auf ihrer Seite sind.
Mugabe regierte das Land von der Unabhängigkeit 1980 an zunächst als Premierminister. Eine Verfassungsänderung ermöglichte es ihm ab 1987, das Amt des Regierungschefs und Präsidenten zu vereinen. Im Jahr 2000 eskalierten die politischen Spannungen. Seit Ende der 1990er Jahre wuchs der Zulauf zur oppositionellen MDC, geführt vom Generalsekretär der Gewerkschaft, Morgan Tsvangirai. Bei einem Referendum über eine neue Verfassung, die seine Befugnisse ausgeweitet und die Enteignung von Landbesitz ermöglicht hätte, kassierte Mugabe eine deutliche Absage. Im Gegenzug entfachte er einen „Kampf gegen koloniale Überreste“, in dessen Verlauf weiße Farmer mit Gewalt enteignet und hunderttausende von schwarzen LandarbeiterInnen arbeitslos wurden (siehe SWM 3/2005 S. 35-36). Manipulationen und Repression kennzeichneten die im selben Jahr abgehaltenen Parlamentswahlen, bei denen die MDC dennoch nur knapp gegen die Regierungspartei verlor. Aufgrund der 30 von Mugabe direkt vergebenen Sitze blieb sie im Parlament klar zurück, doch hatte die ZANU-PF ihre für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit eingebüßt. International wuchs die Kritik an der politischen Führung, besonders im Norden. Simbabwe, einst „Brotkorb des südlichen Afrika“, stürzte in eine schwere Wirtschaftskrise, begleitet von Lebensmittelknappheit, Hyperinflation und Arbeitslosigkeit.
Der Vorwurf schwerer Unregelmäßigkeiten wiederholte sich bei den Präsidentschaftswahlen von 2002, die Mugabe eine weitere Amtsperiode bis 2008 sicherten. Der Präsident, der sich selbst gerne als „Vater der Nation“ sieht und von sich sagt: „Die Menschen lieben mich, darum wählen sie mich!“, steht heute vor den Trümmern seiner Herrschaft, die Simbabwe zu einem Paria-Staat machte. Vor diesem Hintergrund war das Potenzial für politische Veränderungen bei den Parlamentswahlen im März von vornherein sehr beschränkt.
Beeindruckend war in diesem repressiven Klima der Mut einzelner, die sich dem System Mugabes nicht beugten. Als bedeutendster Regimekritiker gilt Pius Ncube, katholischer Erzbischof von Simbabwes zweitgrößter Stadt Bulawayo. Offen rief er zu einem friedlichen Aufstand im Falle einer Wahlmanipulation auf. Ncube ging so weit, öffentlich zu hoffen, dass „Gott ihn zu sich nehmen sollte“ – gemeint ist Mugabe –, damit Simbabwe endlich Frieden finde. Tatsächlich wurde die Wahrscheinlichkeit von Aufständen aber als gering eingeschätzt. Zu sehr hat Mugabes Herrschaft die Opposition geschwächt, als dass sie noch eine ernsthafte Gefahr für ihn darstellen könnte. „Es fehlt der organisatorische Überbau zur Durchführung eines breiten Protestes“, erklärte ISS-Experte Maroleng bereits vor den Wahlen.
Wie lässt sich in diesem Klima Mbekis Rückendeckung für Mugabe als „konstruktives Engagement“ verstehen? „Ironischerweise ist es gerade der klare Sieg der ZANU-PF, der maßgebliche Reformen in Simbabwe zu versprechen scheint“, erläutert Maroleng die Hoffnungen seiner Regierung. Südafrika spekuliert mit einer baldigen Verfassungsänderung im Nachbarland, Pläne dazu werden bereits in der Schublade vermutet. Sie soll die Exekutiv-Gewalt wieder in die Hände eines Premierministers legen. Mugabe als Präsident und nominelles Oberhaupt des Staates hätte damit lediglich noch repräsentative Pflichten wahrzunehmen.
Die Motive hinter diesen von Mugabe bereits vage angekündigten Reformen liegen für den Experten klar auf der Hand: Die Mugabe-treue Elite will endlich von den Farmen und Industriebetrieben profitieren, die sie sich in den vergangenen Jahren angeeignet hat. Internationale Isolation und die katastrophale Wirtschaftslage machten dies bisher unmöglich. Die Krise lässt sich nur überwinden, wenn die internationale Gemeinschaft Simbabwe wieder vollständig eingliedert. Mugabe seinerseits könnte endlich seine Traumrolle als „Vater der Nation“ übernehmen und 2008 in den Ruhestand gehen. Die Schuld an den bisherigen Verfehlungen würde er „schlechten Beratern“ zuweisen. Als realistischen Zeitrahmen für solche Reformen nimmt Maroleng zwei Jahre an.
Mugabe selbst äußerte unmittelbar nach den Wahlen erste Ansätze von Reformwillen. Er sprach von einer Verfassungsänderung, die das Parlament stärken soll, und spielte auch auf die zukünftige Rolle des Präsidenten an. Hatte er vor den Wahlen noch gedroht, er werde jeden Aufstand durch seinen Sicherheitsapparat niederwerfen lassen, streckt Mugabe nun der völlig geschwächten Opposition die Hand entgegen und lädt sie zur Zusammenarbeit im Parlament ein. All diese Bereitschaft einzulenken hätte er bei einem starken Abschneiden der Opposition niemals gezeigt, so Maroleng.
Die Spielregeln der Demokratie sind also mittelfristigen Zielen geopfert worden. Natürlich verfolgt Südafrika in seiner Simbabwe-Politik auch eigene Interessen. Schürt man den Widerstand gegen Mugabe, riskiert man eine gewalttätige Reaktion der regierungstreuen Sicherheitskräfte. Eine Eskalation hätte die gesamte Region destabilisiert, die Zahl der Flüchtlinge aus dem Nachbarland wäre enorm angewachsen. So ist auch die Erklärung der Beobachtermission der Gemeinschaft zur Entwicklung des südlichen Afrikas (SADC) zu verstehen. Sie beschrieb das Wahlergebnis vorsichtig als ein „Spiegelbild des Willens der Menschen“, während Wahlbeobachter-Teams aus Deutschland, den USA und vor allem Großbritannien schwere Manipulationen feststellten. Es bleibt abzuwarten, wie man innerhalb der Afrikanischen Union mit Mbekis Einsatz für Mugabe umgeht. Die Opposition in Südafrika gibt bereits zu bedenken, dieser Kurs könne dem internationalen Ansehen des Landes schaden.
Der deutlichen Kluft zwischen demokratischen Spielregeln und Menschenrechten einerseits und der politischen Strategie andererseits ist sich auch Maroleng bewusst. Er behält aber die erhofften Ergebnisse im Auge. Erzbischof Ncube habe, so Maroleng, mit seinem Aufruf zu Widerstand und Protest moralisch gehandelt. Aber der Sieg der ZANU-PF berge die größeren Chancen für das Land. Eine Verfassungsänderung und Mugabes allmählicher Rückzug bescheren Simbabwe zwar nicht automatisch Good Governance. Aber es wäre ein Anfang – ohne weiteres Blutvergießen.